Bundestag muss sich mit Faeser beschäftigen

Am gestrigen Abend habe ich einen Offenen Brief an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas geschickt und an sie appelliert, eine Sondersitzung des Bundestages aufgrund der Umstände des Verbots des COMPACT-Magazins einzuberufen. Hier der gesamte Text:

Sehr geehrte Frau Präsidentin des Deutschen Bundestags,

sehr verehrte Frau Kollegin Bas,

mit Verfügung vom 05.06.2024 hat das Bundesministerium des Innern und für Heimat festgestellt, die COMPACT-Magazin GmbH einschließlich der Teilorganisation CONSPECT FILM GmbH richteten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und diese Vereinigungen für verboten und aufgelöst erklärt. Die Verfügung wird seit den frühen Morgenstunden des heutigen Tages vollzogen und wurde am heutigen Tag auch im Bundesanzeiger veröffentlicht.

Wie bereits wiederholt bei ähnlichen Vorgängen zu beobachten waren auch dieses Mal – offenbar ausgesuchte Medien – vorab eingeweiht worden. In einem Bericht der Tagesschau, dessen Veröffentlichungszeitpunkt mit 06:38 Uhr angegeben wird, heißt es hierzu: „Das hatten ARD-Hauptstadtstudio und SWR zuvor bereits erfahren.“

Auch bei der Durchsuchung selbst waren informierte Pressevertreter vor Ort und sorgten für Bilder des noch verschlafen wirkenden COMPACT-Herausgebers Jürgen Elsässer im Bademantel, umringt von rund einem Dutzend Polizeibeamten in Kampfmontur. Zu Recht titelt das Online-Magazin Apollo-News über diesen massiven Eingriff in die Privatsphäre: „Bild der Schande: Elsässer im Bademantel, vor ihm Sturmhauben und Kameras“ (https://apollo-news.net/bild-der-schande-elsaesser-im…/). Unabhängig davon, wie man zur Person von Herrn Elsässer steht und wie man die Verbotsverfügung rechtlich bewertet, ist allein diese Art der Vollziehung unerträglich und nicht hinnehmbar.

Es hat in der Folge auch nicht lange auf sich warten lassen, bis hochbezahlte Vertreter des öffentlichen Rundfunks wie Herr Böhmermann (https://x.com/janboehm/status/1813087393257550098) und Frau Hayali (https://x.com/dunjahayali/status/1813134030675583013) das Bild genutzt haben, um Herrn Elsässer verächtlich zu machen.

Während man darüber streiten kann, ob in den von Herrn Elsässer zu verantwortenden Publikationen die Menschenwürde durch gruppenbezogene Äußerungen tatsächlich verletzt wurde, haben heute die Vollzugsbehörden ganz konkret und eindeutig die Menschenwürde von Herrn Elsässer verletzt.

In der Sache selbst gebe ich gerne zu, dass ich kein Leser von COMPACT bin, egal ob als Online-Magazin oder als gedrucktes Magazin. Reißerische Titel und Formulierungen, Schwarz-Weiß-Schablonen, ein zu unkritischer Blick auf Russland und auch antisemitische Untertöne sprechen mich nicht an, selbst wenn sich manches mit dem Ziel der Auflagenmaximierung erklären lässt.

Aber bei aller berechtigten inhaltlichen Kritik: Unliebsame und selbst unappetitliche Meinungen, Verschwörungstheorien, die weder beweisbar noch widerlegbar sind, Fundamentalopposition und harte Kritik an der Regierung sind keine ausreichenden Gründe für ein solches Verbot.

Die Aktion von Frau Ministerin Faeser ist für mich nicht nur ein Ausdruck staatlicher Willkür und ein Missbrauch der Staatsmacht zur Bekämpfung der Opposition, sondern vor allem eine Kriegserklärung an Pressefreiheit und Meinungsfreiheit – somit eine Kriegserklärung an Rechtsstaat und Demokratie.

Bereits die ersten heute geäußerten juristischen Einschätzungen, die zwangsläufig sehr oberflächlich sein müssen, belegen, dass Frau Ministerin Faeser sich zumindest in einem juristischen Minenfeld bewegt. Ich verweise insofern nur auf den ausführlichen Beitrag auf der Seite der Legal Tribune Online (https://www.lto.de/…/compact-vereinsverbot…/).

Ihr geschätzter Herr Kollege Vizepräsident, Herr Wolfgang Kubicki, hat die Problematik auf den Punkt gebracht: „Das Vereinsrecht kann nicht als Hilfskonstruktion zum Verbot von Medien dienen.“ Die Tragweite der Thematik wird durch die weiteren Äußerungen von Herr Vizepräsident Kubicki deutlich, der offenbar nicht davon ausgeht, dass die Verbotsverfügung der gerichtlichen Kontrolle standhält. In diesem Fall hält er einen Rücktritt von Frau Ministerin Faeser für „unvermeidlich“ (https://x.com/KubickiWo/status/1813182301842370861).

Dabei ist die Forderung nach einem Rücktritt von Frau Ministerin Faeser erst nach einer gerichtlichen Niederlage nichts anderes als eine billige Schein-Forderung eines Schein-Liberalen. Denn eine endgültige gerichtliche Klärung wird sich noch jahrelang hinziehen, wenn die Ampelkoalition bereits längst abgetreten ist. Der Forderung kann gar keine ernstliche Konsequenz folgen und soll es wohl auch nicht.

Sehr verehrte Frau Kollegin Bas, als fraktionsloser Abgeordneter, der wirklich unabhängig und nur seinem Gewissen verpflichtet ist, appelliere ich an Sie, von der Ihnen in Art. 39 Abs. 3 Satz 2 GG eröffneten Möglichkeit, eine Sondersitzung des Deutschen Bundestages einzuberufen, umgehend Gebrauch zu machen.

Während Sie in den Fällen des Satzes 3 – Verlangen eines Drittels der Mitglieder, des Bundespräsidenten oder des Bundeskanzlers – über kein Entscheidungsermessen verfügen, steht im Übrigen die Einberufung einer Sondersitzung in Ihrem freien Ermessen als Präsidentin, welches auch Sie sicherlich als pflichtgemäßes Ermessen verstehen.

Ich erwarte nicht, dass Sie meiner inhaltlichen Bewertung des Vorganges zustimmen oder sich diese gar zu Eigen machen. Eine Befassung des Bundestages mit diesem Thema erlaubt aber nach meiner Auffassung bereits deswegen keinen Aufschub, weil die Umstände es andernfalls nahelegten, die Vollziehung der Verbotsverfügung sei bewusst in den Beginn der Sommerpause gelegt worden, um eine zeitnahe parlamentarische Debatte zu vereiteln.

Der Bundestag sollte für diesen bösen Schein keinerlei Raum eröffnen. Die unverzügliche Befassung des Plenums des Bundestages mit diesem Thema ist deshalb selbst dann geboten, wenn man die ergangene Verbotsverfügung als zwanglos rechtmäßig ansieht.

Wenn in Jahren der Rechtsweg abgeschlossen sein wird und nach den Fachgerichten das Bundesverfassungsgericht und ggf. auch noch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden haben werden, schafft dies Rechtsklarheit für die juristische Fachwelt. Für unsere Demokratie kommen die Entscheidungen der Gerichte aber zu spät. Die mir bewussten immensen Kosten einer Sondersitzung – die Sondersitzung anlässlich der Vereidigung der früheren Bundesministerin der Verteidigung verursachte Kosten in der Höhe von knapp 200 T€ – sind vorliegend deshalb gerechtfertigt.

Frau Ministerin Faeser hat in meinen Augen einen Rubikon überschritten. Deutschland und unsere Gesellschaft stehen an einem Scheideweg. Sie entscheiden jetzt wesentlich mit, welchen Weg unsere Gesellschaft einschlägt. Geben Sie dem Bundeskanzler Herrn Scholz durch die Einberufung einer Sondersitzung die Gelegenheit, die Debatte über das Vorgehen von Frau Ministerin Faeser und über ihre Person mit der Vertrauensfrage nach Art. 68 GG zu verbinden.

Mit den besten Wünschen

Thomas Seitz MdB