Austritt aus der AfD

Liebe Freunde, mit diesem Video verabschiede ich mich zumindest für eine Weile aus der politischen Öffentlichkeit.

Meinen Beitrittsantrag zur AfD habe ich Anfang April 2013 ausgefüllt und stehe auch heute noch ganz überwiegend hinter dem Programm der AfD, das für eine realistische und den Bürgern dieses Landes verpflichtete Herangehensweise an die drängenden Probleme unserer Zeit steht, nicht für irgendwelche kruden Vorstellungen von Weltrettung. Natürlich hätte ich mir bei der AfD eine größere und kritischere Distanz zur Idee des Etatismus gewünscht – zur Idee, dass es der Staat ist, der dafür zuständig sei, die Probleme der Bürger zu lösen. Denn wenn Corona eines gezeigt hat, dann dass es genau der Staat ist, den das Individuum am meisten zu fürchten hat. Die verbreitete Staatsgläubigkeit und die sozialdemokratischen bis sozialistischen Anwandlungen in der AfD sind jedoch ein anderes Thema. Auch wenn ich davon überzeugt bin, dass es im Grundsatz vor allem viel weniger Politik braucht, die in das Leben der Menschen eingreift, gibt es keine, jedenfalls keine entscheidende, inhaltliche Differenz zwischen mir und der AfD.

Dennoch ist meine Zeit in der AfD zu Ende. Um es gleich vorwegzunehmen: Es geht mir ausdrücklich nicht um einen Rechtsruck in der AfD. Das Treffen in Potsdam war weder geheim noch inhaltlich ein Problem. Verbotene Themen wurden dort nicht diskutiert, das Märchen von der Deportation ist eine Erfindung von Correctiv und einer willfährigen Pressemeute. Und so unappetitlich die Vorgänge um Halemba oder die bayrischen Disko-Proleten auch sind, habe ich durchaus Hoffnung, dass der Bundesvorstand den Saustall in Bayern ausmistet. Es geht auch nicht um die Bewertung der Alternative für Deutschland durch die Verfassungsschutzbehörden, die nur den verlängerten Arm der jeweiligen Innenminister darstellen. Bestes Beispiel ist unsere Jugendorganisation, die Junge Alternative. Ich kann meine Hand für beispielsweise die Landesverbände Thüringen oder Brandenburg nicht ins Feuer legen, da ich die dortigen Protagonisten zu wenig kenne. Aber ich kenne die Jungs und Mädels aus Baden-Württemberg. Und für die lege ich meine Hand ins Feuer. Wenn es einen Landesverband der Jungen Alternative gibt, der rechtextremer Umtriebe wirklich unverdächtig ist, dann ist es Baden-Württemberg. Und das zeigt deutlich, dass es beim Verfassungsschutz nicht um echten Extremismus geht, sondern um die Bekämpfung der Opposition.

Finanzstrukturen, die der Mafia Ehre bereitet hätten

Nein, um zu verstehen, warum meine Zeit in der AfD vorbei ist, muss man meinen beruflichen und politischen Werdegang kennen. Bis zur Jahrtausendwende war ich ein ebenso treuer wie unkritischer Stammwähler der CDU, sozusagen ein klassisches Schlafschaf, das seine Vorstellung von der Wirklichkeit aus der FAZ und den Nachrichtensendungen von ARD und ZDF bezogen hat. Je mehr dann über das Ausmaß der Parteispendenaffäre, bei der die Namen Helmut Kohl und Wolfgang Schäuble nur für die Spitzen der Eisberge der Korruption stehen, bekannt wurde, je mehr über die illegalen Finanzstrukturen bekannt wurde, die der Mafia Ehre bereitet hätten, desto mehr habe ich mich angewidert von der Union abgewendet. Ein paar Jahre habe ich trotzdem noch weiterhin CDU gewählt, weil ich sie für das vermeintlich kleinere Übel hielt. Der verzweifelte Versuch, die FDP zu wählen, ging dann 2009 genauso daneben, als die FDP in den Koalitionsverhandlungen das Außenministerium und das Entwicklungsministerium erhielt und plötzlich vergessen war, dass man das Entwicklungsministerium doch auflösen wollte. Die etablierten Parteien waren danach für mich unwiderruflich durch und ich auf dem Weg zum Nichtwähler. Nach einem kurzen Intermezzo in der Bürgerrechtspartei „Die Freiheit“ im Jahre 2011 habe ich dann im Rahmen der Wahlalternative 2013 für die Gründung einer neuen Partei gestimmt und noch vor dem Gründungsparteitag Anfang April 2013 meinen Mitgliedsantrag für die AfD abgeschickt. Misstrauisch wie ich bin, in Papierform und nicht online, was dann zu einer längeren Bearbeitungsdauer führte und weshalb ich erst Anfang Mai 2013 offiziell Mitglied der AfD wurde. Seit Mitte 2014 nehme ich aktiv am Parteileben teil, seit 2017 bin ich für die AfD im Bundestag und war zuletzt der Rechtspolitische Sprecher der Fraktion. Vor dem Einzug in den Bundestag war ich in Baden-Württemberg 21 Jahre lang als Richter und Staatsanwalt tätig. In Rottweil, wo vor gut einem Monat der Landesverband Baden-Württemberg einen Sonderpartei­tag abgehalten hat, war meine erste Station nach dem Zweiten Staatsexamen. Am zweiten September 1996 habe ich im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Rottweil meinen Richtereid abgelegt und geschworen, „nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen.“ Meinen Teil dieses Schwurs habe ich immer erfüllt, aber der Rechtsstaat hat sich immer mehr zum Gesinnungs­staat gewandelt und wurde vor allem immer ungerechter. Immer deutlicher wurde, dass es nicht die Aufgabe der Strafjustiz ist, Gerechtigkeit für alle herzustellen, sondern vor allem das System am Laufen zu halten. Die grundsätzlich rechtstreuen Bürger, denen einmal ein Faux-Pas unterläuft, sind das eigentliche Ziel der Strafjustiz geworden und hier funktioniert der hart strafende Rechtsstaat bestens und wird die Rechtsordnung zu 120 Prozent – oder mittlerweile eher 150 Prozent – exekutiert.

Gewähr für politische Integrität

Nach dem Sündenfall im September 2015 mit der Öffnung der Grenzen für Hunderttausende Illegaler konnte und wollte ich der Herrschaft des Unrechts nicht länger zusehen und habe meine Meinung dazu sehr deutlich auch öffentlich, vor allem auf Facebook, geäußert. Wie viele wissen hat mein Dienstherr schon bald ein Disziplinar­verfahren gegen mich eingeleitet und ab 2017 meine Entfernung aus dem Dienst betrieben. Im Frühjahr 2021 erging dann das Berufungsurteil, gegen das ich nicht weiter vorgegangen bin, weil ich erkannt habe, dass ich zwar vorläufig Erfolg haben kann, aber das endgültige Ergebnis vor deutschen Gerichten feststeht. Auch wenn die mit der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis verbundene Streichung meiner Pensionsansprüche finanziell ein herber Verlust war, da ich erst nach fast 4 Legislaturperioden im Bundestag wieder das alte Versorgungsniveau als Staatsanwalt erreichen würde, war das vorherrschende Gefühl nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens ein Gefühl der Erleichterung. Ich war diesem System und diesem Staat, die für mich immer weniger mit einem Rechtsstaat zu tun hatten, nicht mehr zur Treue verpflichtet und vor allem habe ich mich nicht länger mitschuldig gemacht, indem ich ein funktionierendes Rädchen im System war. Wer sich fragt, warum aus 1933 ein 1945 werden konnte, findet die Antwort bei den Mitläufern, die vielleicht keine Sympathie für das damalige System hatten, aber gemacht haben, was das System von ihnen verlangte. Ich will kein Mitläufer sein, dafür trage ich die Konsequenzen. Ich habe mich nicht verbiegen lassen, weshalb ich mein Verhalten in dieser Zeit bis heute nicht bereue.

Natürlich standen für mich von den Kernthemen der AfD immer Themen wie die illegale Massenmigration, die Verteidigung der Meinungsfreiheit und der Kampf gegen eine übergriffige EU ganz weit oben. Aber auf einer Meta-Ebene waren mir andere Dinge immer noch wichtiger. So ist die AfD einmal mit dem Anspruch angetreten, die Arroganz der Macht, das wohl prägendste Merkmal der Merkel-Jahre, zu brechen und durch eine Politik zu ersetzen, die auf Willensbildung von unten nach oben setzt. Sowohl innerparteilich wie auch im großen Maßstab durch Einführung von Elementen direkter Demokratie nach Schweizer Vorbild auf Bundesebene. Die AfD wollte eine Partei mit dem Anspruch sein, die Politik für die Bürger wieder transparent zu gestalten. Die AfD wollte eine Partei mit dem Anspruch sein, nur Volksvertreter in die Parlamente zu entsenden, die auf Grundlage einer soliden und gefestigten Erwerbsbiographie die Gewähr für persönliche Integrität bieten. Und die AfD erhob den Anspruch, die Rechtsstaatspartei in Deutschland schlechthin darzustellen. Rechtsstaatspartei bedeutet konkret, dass man Regeln auch dann einhält, wenn man die Macht hat, sie zu brechen, oder einfach weiß, dass ein Bruch der Regeln nicht auf nennenswerten Widerstand stoßen oder keine spürbaren Folgen nach sich ziehen wird.

Spendenskandal Weidel

Die AfD wurde dagegen nicht gegründet, damit auf dem Wahl­zettel auch eine Partei steht, die man nur deshalb wählt, weil sie das kleinere Übel darstellt. Wenn das langsam wirkende Gift so tödlich ist wie das schnell wirkende, macht es keinen Unterschied, zu welchem Giftcocktail man greift. Eine Partei, die nur das kleinere Übel darstellt, ist deshalb immer ein Teil des Problems und kann niemals ein Teil der Lösung sein. Wenn die AfD nur das kleinere Übel darstellt, dann braucht es keine AfD. Wenn die AfD nur dazu taugt, den schwarzen, roten und neuerdings grünen Filz durch blauen Filz zu ersetzen, dann braucht es keine AfD. Wenn der Umgang mit illegalen Spenden durch Spitzenvertreter der AfD die Parteiöffentlichkeit so gut wie nicht interessiert und einfach folgenlos bleibt, dann ist die AfD keine Alternative zu den Altparteien und dann braucht es keine AfD. Das Argument, dass bei den Altparteien die gleichen oder sogar noch schlimmere Schweinereien an der Tagesordnung wären, hat mich deshalb noch nie interessiert. Mein Ziel war es immer, den schwarzen, roten und grünen Politik-Filz an der Wurzel auszureißen und zu beseitigen. Das geht nur, wenn man an die eigene Partei und ihre Protagonisten höhere Anforderungen stellt als an den Gegner. Wenn die AfD ihren eigenen Laden nicht sauber halten kann, wie kann sie dann dem Anspruch gerecht werden, Deutschland zu retten?

Ich hadere schon lange mit dem, wozu sich die AfD entwickelt hat. Wäre mein altes Leben nicht verbrannt, wäre ich schon 2020 oder 2021 aus der Politik ausgestiegen. Die Fehlentwicklungen sind vielfältig und nicht alles ist so unfassbar ekelhaft wie das von sogenannten „Patrioten“ im Jahr 2021 über meine verstorbene Kollegin Corinna Miazga über Monate hinweg gestreute Gerücht, sie hätte ihre Krebserkrankung nur erfunden, um wieder auf die Bundestagsliste gewählt zu werden. Regelmäßig betreffen die Fehlentwicklungen und Missstände die jeweilige Führung der Parteigliederungen und der Fraktionen in Bund und Ländern. Die AfD hatte einen Spendenskandal durch Frau Weidel, der die Partei fast 400.000 Euro nur an Strafzahlungen gekostet hat, die Höhe der zusätzlichen Kosten für Gerichte und Anwälte ist unter Verschluss, mit Sicherheit aber nochmal eine deutlich sechsstellige Summe. Es war ein Spendenskandal, bei dem alles zum Himmel stinkt, aber die Bundestagsfraktion, deren Vorsitzende Frau Weidel war und ist, wollte sich damit nicht beschäftigen. Der Skandal war auch kein Thema für die Partei, weil es ja ein laufendes Verfahren war. Als das Verfahren dann abgeschlossen war, hatte sich alles beruhigt und keiner wollte mehr das Thema aufgreifen. Dieser Spenden­skandal Weidel wird schon seit Jahren bei jedem Angriff auf die korrupten Altparteien als Gegenargument ausgepackt, leider zu Recht, und macht deutlich, wieviel von ihrem höchsten Gut, nämlich ihrer Glaubwürdigkeit die AfD bereits verloren hat.

Ein Chaos-Parteitag mit Ansage

In wenigen Wochen findet die Europawahl statt, in vielen Bundesländern dazu die Kommunalwahlen. Mit der Kampagne für die Europawahl ist die Partei wieder einmal im Verzug. Erst Ende Januar kam das neue Design in den Kreisverbänden an. Warum? Weil auch in den Geschäftsstellen längst das System Günstlingswirtschaft regiert. Auch in der Bundestagsfraktion liegt vieles im Argen und es ist kein Zufall, dass sich die Mitarbeiter in der 2. Legislaturperiode für die Wahl eines Betriebsrats entschieden haben, was der Vorstand in der 1. Legislaturperiode der AfD durch Verzögerungstaktik noch verhindern konnte. Ernüchternd war auch die Aufstellung der Liste der AfD für die Europawahl in Magdeburg im letzten Sommer. Einen Spitzenkandidaten, bei dem ungeklärte Betrugsvorwürfe im Raum stehen, kann sich eine Rechtsstaatspartei ungeachtet der Unschuldsvermutung nicht erlauben, selbst wenn die Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, dass sich die Vorwürfe bewahrheiten. Bei zwei der auf sichere Listenplätze für das EU-Parlament gewählten Kandidaten wurde noch während der Listenaufstellung bekannt, dass sie über ihren Lebenslauf getäuscht haben. Gegen eine Korrektur noch in Magdeburg hat Frau Weidel höchstpersönlich interveniert. In einem der Fälle war es nur eine kleine Lüge, dafür vorsätzlich. Im anderen Fall war es möglicherweise zwar nur eine fahrlässige Täuschung, aber dafür von erheblichem Umfang. Und ganz ehrlich: Wenn jemand wahlweise so naiv oder unbedarft ist, dass er trotz schärfster innerparteilicher Diskussionen den Vertrag über ein geleistetes Volontariatspraktikum nicht kritisch prüft oder durch Dritte prüfen lässt und stattdessen stur an der der unhalt­baren Behauptung festhält, durch das Praktikum einen Berufsabschluss erworben zu haben, welche Funktion will so jemand im EU-Parlament denn ausüben außer als willfähriges Stimmvieh zu dienen? Als zumindest der Konvent die Problematik aufgegriffen hat, haben sich die Parteivorsitzenden wieder einmal gedrückt, anstatt sich für die Folgen der von ihnen wesentlich mit zu verantwortenden Günstlings­wirtschaft zu rechtfertigen.

Mit all diesen negativen Entwicklungen konnte ich umgehen, auch wenn die Zweifel gewachsen sind, ob die AfD in der Lage ist, für dieses Land Gutes zu bewirken, wenn sie einmal in Regierungsverantwortung kommt oder ob ein Weidel-Clan nicht noch viel schlimmer wäre als der Habeck-Clan. Seit dem Sonderparteitag der AfD Baden-Württemberg am letzten Februarwochenende habe ich allerdings den Glauben verloren, dass die AfD in der Lage ist, irgendeinen substantiellen Beitrag zur Rettung Deutschlands zu liefern. Es war ein Chaos-Parteitag mit Ansage und von Anfang an war klar, dass die Halle in Rottweil mit regulär unter 1.000 zugelassenen Plätzen niemals reichen würde, nachdem die Partei zuletzt einen enormen Mitgliederzuwachs hatte und allseits für Rottweil mobilisiert wurde. Im Ergebnis waren dann wohl 1.040 Personen in der Halle zugelassen, aber bei dieser Personenzahl zählen natürlich Pressevertreter, Security, Funktionsträger, Personenschützer und alle sonstigen Gäste mit. Dementsprechend groß war das Gedränge und mehrere anwesende Personen im Rollstuhl oder mit Rollator saßen im Mittelgang, so dass kaum noch ein Durchkommen war. Im Falle einer Panik hätte es Verletzte oder Schlimmeres gegeben. Und während die Halle im Zeitpunkt der Eröffnung bereits überfüllt war, standen vor der mittlerweile geschlossenen Halle noch mehrere Hundert auf Einlass wartende Parteimitglieder. Völlig zu Recht hatte das gemäß Beschluss des Landesvorstands mit der Eröffnung des Parteitags beauftragte Vorstandsmitglied deshalb den Parteitag wieder beendet. Nachdem viele nach stundenlangem Warten vor verschlossener Türe bereits heimgegangen waren, folgte dann eine beispiellose Schmierenkomödie. So als wäre nichts gewesen, wurde ein zweiter Parteitag aufgetan, um zu wählen und die Satzung zu ändern. Warum? Weil Frohnmaier und Sänze die Macht hatten es zu tun, nachdem man das Kommando über Security, Technik und Akkreditierung an sich gerissen hatte. Da wundert es nicht mehr, dass nach der zwischenzeitlichen verkündeten Behauptung, dass sich rund 200 Gäste in der Halle befinden würden, die Mandatsprüfungskommission später erklärte, keine Feststellungen zur Zahl registrierter Gäste treffen zu können. In der Tat hatte auch niemand eine solch riesige Zahl von Gästen, die an einem andersfarbigen Einlassband erkennbar gewesen wären, wahrnehmen können und erklärte sich die volle Halle durch die akkreditierten stimmberechtigten Mitglieder zwanglos selbst, deren Anzahl in der Spitze rund 30 – 40 Personen höher lag als für die Halle zugelassen.

Großartige Menschen kennengelernt und Freunde gefunden

Natürlich wurde der Parteitag zwischenzeitlich angefochten und den Landesverband erwartet eine lange Phase der Ungewissheit, was sich auch auf die Aufstellung der Landesliste für die nächste Bundestagswahl auswirken kann. All das wurde von den Akteuren der Weidel-Frohnmaier-Clique billigend in Kauf genommen in der Hoffnung, dass es dem eigenen Fortkommen nutzt. Das dreckige Spiel geht weiter und jeder, der auf die Missstände hinweist, wird als Nestbeschmutzer gebrandmarkt. Ich selbst habe den Parteitag nicht angefochten. Denn ehrlicherweise muss man zugeben, dass zwar das Zustandekommen und die Durchführung des Sonderparteitags nichts anderes als ein Putsch der Vorsitzenden war, aber die sich dann ergebenden klaren Mehrheiten echt waren. Man kann den Parteitag anfechten und rechtlich gibt es keine Alternative zur vollständigen Aufhebung. Damit werden jedoch nur die Ergebnisse des Parteitags einkassiert, nicht die Verhältnisse in der Mitgliederschaft geändert, die diese Ergebnisse ermöglicht haben. Der eindeutigen Mehrheit der anwesenden Mitglieder waren die rechtlichen Fragen eben völlig egal, ganz zu schweigen von irgendwelcher Aufklärung zum Ludwigsburger Erbschaftssumpf. Selbst wenn sich keine strafbaren Handlungen nachweisen lassen, müssten alle Beteiligten dafür zumindest politisch zur Rechenschaft gezogen werden. Stattdessen wurde der für die Missstände verantwortliche Kreissprecher gar zum stellvertretenden Landesvorsitzenden gewählt. Der Parteitagsmehrheit ging es nur darum, ihren Idolen zu huldigen und alles weg zu bügeln, was deren Heiligenschein trüben könnte. Es wird nur noch unkritisch abgenickt, was von oben vorgeschlagen wird. Das ging so weit, dass zwei der drei gewählten Rechnungsprüfer Mitarbeiter von neugewählten Mitgliedern des Landesvorstands sind. Untergebene kontrollieren also künftig ihre Chefs. Und einer der neugewählten Schiedsrichter war bis vor wenigen Monaten noch SPD-Mitglied – im Grunde unfassbar. Große Teile der Mitgliedschaft sind mir fremd geworden, was nur bedingt daran liegt, dass viele alte Mitstreiter nicht mehr dabei sind. Diese Veränderungen muss ich wohl oder übel akzeptieren. Ich habe aber mein altes Leben nicht im Rauch aufgehen lassen, um Teil einer Partei zu sein, die nicht elementar sauberer ist als die Altparteien. Baden-Württemberg mag zwar ein besonders problematischer Landesverband sein, aber auch anderswo geht es nicht wirklich besser zu und die Tendenz ist eindeutig negativ. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis der Jubelrekord von 13 Minuten Beifall für Frau Merkel durch die Applausdauer für die große Vorsitzende auf einem AfD-Parteitag übertroffen wird.

Bereits während des Parteitags hatte ich das dringende Bedürfnis, sofort aus der Partei auszutreten. Wegen ihrer Tragweite habe ich diese Entscheidung jetzt über Wochen zurückgestellt und bin immer noch innerlich zerrissen. Aber das vorherrschende Gefühl ist immer noch das des puren Ekels vor meiner eigenen Partei für die ich seit 10 Jahren den Kopf hinhalte. Vor allem aber müsste ich bei meinem Verbleib in der AfD die Menschen darüber belügen, was sie von der AfD zu erwarten haben. Ich trete deshalb mit Wirkung zum 31. März aus der AfD als Partei und Fraktion aus. Trotzdem fällt mir der Schritt schwer, weil ich in der AfD auch großartige Menschen kennengelernt und Freunde gefunden habe. Viele werden enttäuscht sein und meine Entscheidung nicht nachvollziehen können. Auch für meinen Kreisverband, der gerade für die Kommunalwahlen so viele Kandidaten aufgestellt hat wie noch nie, ist es ein harter Schlag, weit über den Wegfall der von mir zur Verfügung gestellten Infrastruktur hinaus. Für die Kommunalwahlen drücke ich der AfD beide Daumen, da auf dieser Ebene der Idealismus noch nicht ausgestorben ist. Ich selbst werde mich in der nächsten Zeit verstärkt um meine Gesundheit kümmern und mein Mandat im Bundestag als unabhängiger Abgeordneter ohne Fraktionszugehörigkeit zu Ende führen, da ich keine andere Parteimitgliedschaft anstrebe. Aus dem Justizdienst bin ich entlassen worden und dies bedingt zugleich ein Berufsverbot als Anwalt bis Mitte 2029. Die beruflichen Aussichten sind also erst einmal ungewiss, aber für mich gilt die gleiche Devise, die Boris Reitschuster in seinem letzten Buch „Meine Vertreibung“ postuliert hat: „Mir treu zu bleiben und nicht einzuknicken ist mir wichtiger als mein Fortkommen“.